Lebenslauf
Am 27. Juni 1894 wird Werner Julius Eduard Catel in Mannheim geboren. Im Jahre 1910 kommt er zum ersten Mal mit dem Euthanasiegedanken in Berührung, indem er nach eigenen Angaben aktive Sterbehilfe für die Großmutter leistete. Im folgenden wird Werner Catels wissenschaftliche und berufliche Karriere und seine Rolle als Schlüsselfigur der NS- Euthanasieverbrechen dargelegt.
Schulische und akademische Karriere
Professorenkatalog der Universität Leipzig
1913 Abitur
1914-1918 Kriegsdienst als Feldhilfsarzt
1916-1920 Medizinstudium an den Universitäten Halle/Saale und Freiburg im Breisgau
1920 Examen, Approbation und Promotion
1922 Assistenzarzt an der Universitätskinderklinik Leipzig
1924 Persönliche Begegnung mit Alfred Hoche (zusammen mit Karl Binding Autor der Schrift „Die Freigabe der Vernichtung lebensunwerten Lebens. Ihr Maß und ihre Form“)
1926 Habilitation in Leipzig
1927 Ehe mit Gertrud Catel geborene Hammer
1926-1931 PD für Kinderheilkunde an der Medizinischen Fakultät der Universität Leipzig
1931-1932 Professor für Kinderheilkunde an der Medizinischen Fakultät der Universität Leipzig
1932-1933 Professor für Kinderheilkunde an der Universität Berlin
1933-1945 Professor für Kinderheilkunde an der Medizinischen Fakultät der Universität Leipzig
1951-1960 Professor für Kinderheilkunde an der Universität Kiel
Berufliche Karriere
1927 Oberarzt an der Universitätskinderklinik Leipzig
1933 ab 1. Oktober Direktor der Universitätsklinik Leipzig, nachdem der wegen seiner jüdischen Herkunft angefeindete Direktor Siegfried Rosenbaum aus dem Amt gedrängt wurde
1939 Herausgeber des Lehrbuches „Die Pflege des gesunden und des kranken Kindes“ mit antisemitischen und rassistischen Passagen; im Sommer 39 Tötung des Kindes K. (dessen Identität noch nicht eindeutig geklärt ist) nach Beratung mit Dr. Brandt, dem Begleitarzt A. Hitlers (erster bekannt gewordener Fall von Kindereuthanasie in Deutschland)
1940 mit Ernst Wentzler und Hans Heinze einer der drei Hauptgutachter im „Reichsausschuß zur wissenschaftlichen Erfassung von erb- und anlagebedingten schweren Leiden“ in der Kanzlei des Führers
1941 Einrichtung einer „Kinderfachabteilung“ an der Universitätskinderklinik Leipzig; Versuche zur Übertragung und Behandlung von Kinderlähmung
1945 am 15. November Entlassung Catels als Klinik-Direktor; Versuch der Selbstdarstellung als „Antifaschist“ und „Antimilitarist“, Vorlage von „Persil-Scheinen“, in denen unter anderem die Bereitschaft Catels testiert wird, „in jeder Hinsicht die sozialistischen weltanschaulichen Gedankengänge in sich aufzunehmen und innerhalb seines Bekanntenkreises dafür zu werben“; Ankündigung der Entfernung von NS- und antisemitischen Passagen aus dem von ihm herausgegebenen Lehrbuch „Die Pflege des gesunden und des kranken Kindes“
1946 Antrag auf Rehabilitation durch sächsische Landesregierung abgelehnt; am 7. Oktober krankheitshalber Verzicht auf den Lehrstuhl; am 11. Oktober meldete Catel sich krank, beantragte eine 4- bis 6-wöchige Beurlaubung; am 4. und 6. November protestierten Studenten gegen die Weiterbeschäftigung von NSDAP-Professoren; 12. November Antrag auf Verlängerung der Beurlaubung bis zum Jahresende, der unbezahlte Erholungsurlaub wurde am 15. November genehmigt; am 15. Dezember verließ Catel mit gefälschtem Ausweis die sowjetische Besatzungszone
1947 zweite Ehe mit Isolde Catel (geb. Heinzel), eine seiner ehemaligen Krankenschwestern in Leipzig; 7. August Entnazifizierung; Leitung der Tuberkulosekinderheilstätte Mammolshöhe/Taunus; mindestens vier Kinder sterben bei Versuchen mit einem von Kindern besonders schwer verträglichen Tuberkulose-Impfstoff – das Einverständnis der Angehörigen für die Tests war nicht eingeholt worden
1949 erste Anklage nach Anzeige durch Professor Rudolph Degkwitz Freispruch durch das Landgericht Hamburg – gegen zwei der drei beteiligten Richter waren Vorwürfe hinsichtlich ihrer Vergangenheit im NS-Staat erhoben worden; die Universität Marburg nimmt von einer Berufung Catels Abstand
1954 1. Juli Berufung an die Universität Kiel und Direktor der Kieler Universitätskinderklinik; Professor für Kinderheilkunde
1960 6. Mai erneute Anzeige durch den in New York lebenden Pädiater Rudolph Degkwitz gegen Catel wegen der Euthanasie-Verbrechen; 17. August Spiegel-Artikel: „Euthanasie: Eingeschläfert“; 23. August Eröffnung des „OV Euthanasie“ (OV = Operativer Vorgang) der Stasi (1961 eingestellt); 12. September Antrag Catels auf vorzeitige Emeritierung; Vernichtung aller schriftlichen Dokumente gemeinsam mit Charlotte Grohme, seiner Sekretärin von der Universitätskinderklinik Leipzig
1964 nach erneuten Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Hannover (seit 1962) wird Werner Catel „außer Verfolgung“ gesetzt; in einem Spiegel-Interview empfiehlt Catel die Tötung von jährlich 2.000 behinderten Kindern („Monstren“)
1965 Verfahren auf Entzug der Approbation ohne Erfolg beendet
1974 Autobiografie „Leben im Widerstreit – Bekenntnisse eines Arztes“, in der er sich als Gegner des Nationalsozialismus darstellt
1981 am 30. April stirbt Werner Catel in Kiel
Mitgliedschaften
seit 1933 Mitglied im NS-Ärztebund
seit 1936 Mitglied im NSDB
seit 1937 Mitglied der NSDAP
seit 1942 Mitglied im NS-Altherrenbund
1933-1939 Mitglied im Opferring